Ayurveda & Medizin

Ayurveda & Medizin

Ein Arzt erklärt

Ein altes Sprichwort aus Indien sagt: „Wenn die Ernährung nicht passt, wird Medizin (Anmerkung: Heilkräuter) keinen Nutzen haben. Wenn die Ernährung korrekt ist, wird es die Medizin nicht brauchen.“

In meiner Praxis merke ich deutlich, wenn sich jemand an die typgerechte Ernährung nach Ayurveda hält. Meine Dienste als Arzt werden (außer bei schweren und chronischen Erkrankungen) nicht oder kaum mehr benötigt. Blutdruckmittel, Cholesterinsenker, Schlafmittel, Antidepressiva, Magenschutz, Schmerzmittel, Abführmittel, Allergietabletten und der Alkohol- oder Koffeinkonsum können, meiner Erfahrung nach, oft durch Einhalten von Ernährungsregeln und Verhaltensumstellung in ärztlicher Begleitung reduziert oder eingestellt werden.

Ayurveda bietet Menschen individuelle Empfehlungen bei Ernährung, Verhalten und Therapie je nach Dosha-Typ. Doshas widerspiegeln sich im menschlichen Körper in individueller Ausprägung und können durch ihre typischen Eigenschaften sichtbar werden. Ayurvedische Empfehlungen hängen immer von den momentanen Symptomen und von der Grundkonstitution, von Stoffwechsellage etc. ab. Einige grundlegende Prinzipien der Ernährung können hier aber beschrieben werden:

Qualität
Klassisch meint Ayurveda mit Qualität die Wirkung auf die Doshas. Es wird genau beschrieben, welche Eigenschaften (Gunas) bestimmte Nahrungsmittel haben und wie Lagerung, Fermentation, Verarbeitung usw. diese Eigenschaften zum individuellen Vorteil verändern können.

Bei Rauheit (z.B. Gelenksarthrose), Trockenheit (Verstopfung, Schuppung), Blähungen, Krämpfen, Nervosität, Schlafstörungen, ziehenden Schmerzen und Empfindlichkeit auf kalte Zugluft herrscht das Vata-Dosha vor. Hier empfehle ich, Kaltes, Blähendes, Bitteres, Scharfes, Leichtes, Trockenes vor allem abends zu vermeiden. Salat ist meist kalt, bitter, blähend und leicht und würde trotz der bekannten „guten“ Inhaltsstoffe und geringer Kalorienzahl in solchen Fällen für den Körper nicht gut sein und die genannten Beschwerden verschlechtern.

Menge
4 - 6 Stunden nach dem Essen sollte sich langsam ein Hungergefühl einstellen. Gemeint ist echter Hunger mit Magenknurren. Erst dann sollte gegessen werden. Dauert es zu lange, sollte die Menge der Mahlzeiten reduziert werden. Kommt der Hunger schon früher, sollte mehr gegessen werden. Empfohlen werden 3 Mahlzeiten. Idealerweise sollten nach dem Essen 1 Faust Flüssigkeit, 1 Faust festes Essen und 1 Faust „Raum“ im Magen sein, sodass dieser die Mahlzeit gut verarbeiten kann.

Kombination
Einige Kombinationen von Nahrungsmitteln können Entzündungsreaktionen im Körper verstärken. Ideale Negativbeispiele wären aus meiner Sicht: Salami-Pizza, Cordon bleu oder Schinken-Käse Toast mit Ketchup – hier finden sich ungünstige Kombinationen wie Fleisch/Käse oder Käse/Tomate mit Weizen, der gerne aufbläht und Trägheit verstärkt. Gute Kombinationen mit Gewürzen oder Kräutern können die blähende Wirkung von Nahrungsmitteln allerdings reduzieren oder die Aufnahme von Vitalstoffen im Darm fördern.

Hitze / Kälte
Wenn ich an Wechselbeschwerden oder unter Wut leide, leicht schwitze und direkte Sonne oder schwüles Wetter nicht vertrage, esse ich keinen Chili, Ingwer, schwarzen Pfeffer oder ölige Speisen. Mag ich Scharfes gerne, konzentriere ich mich auf kühlende Kardamomsamen und Gewürznelken oder nehme getrockneten statt frischen Ingwer.

Verarbeitung
Beim Trocknen von Nahrungsmitteln, entziehe ich Wasser (Kapha) und füge Rauheit, Härte, Leichtigkeit und Trockenheit (Vata-Eigenschaften) hinzu, was die Wirkung auf den Körper umdrehen kann – keine Trockenfrüchte bei Vata! Ich kann Trockenfrüchte allerdings mitkochen, um deren Wirkung auf den Körper wieder zu verändern.

Zeitbezug und Ortsbezug
Jahreszeit, Lebensphase und Tageszeit haben Einfluss auf die Dosha-Balance. Im Herbst ist die Hitze des Sommers angereichert, hier sollte nicht zu scharf gegessen werden. Im Winter kann es etwas schwerer und fettiger sein, im feucht-kalten Übergang zum Frühling bieten sich Fastenkuren mit leichter Kost an. Das Frühstück sollte um oder vor 6:00 stattfinden, da Kapha um 8:00 den Höhepunkt erreicht und uns schwer machen kann. Als Abendessen empfehle ich eine Suppe oder eine kleinere Portion des wieder erwärmten Mittagessens an.

Wirkung auf die Psyche
Die Gunas der Psyche (Tamas, Rajas und Sattva) werden von denselben Elementen beeinflusst, wie auch die Doshas (Vata, Pitta, Kapha). Tamas: Geistige Trägheit, Angst, Stumpfheit, Dummheit wird verstärkt durch Alkohol und andere sedierende Drogen, Dosenfutter, Verkokeltes wie Chips oder Brotkruste, nicht mehr ganz frische Ware oder Fleisch, Fisch, Ei und gereiften Käse. Auch zu große Mengen gesunder Nahrung können uns schwer machen. Rajas: Der kriegerisch-aktive, aber unbewusste und egozentrische, getriebene Geist wird gestärkt durch Business-Food und Wirtshausküchen mit viel Schärfe, Frittiertem, Erhitzendem und Knoblauch. Sattva: Entspannung und bewusste Verbindung mit der Umgebung macht glücklich. Hierzu wird saftiges und nährstoffreiches, naturbelassenes Essen empfohlen. Es darf süß oder etwas ölig sein, wie Nüsse und Honig, Ghee und Milch, länger gelagertes Getreide, junges Gemüse und vollreifes Obst.

Getränke
Ich empfehle einen Gewürz-Kräuter-Tee bis 16:00, ansonsten einfach Wasser oder ein Koriandersamen-Kaltauszug. Beim Wasser achte ich auf den krebserzeugenden Nitratgehalt, der weit unter den zugelassenen 50 mg/l sein sollte (eine Metastudie zeigte mehr Magenkrebs).

Zudem wird empfohlen:

  • Gewichtszunahme: Nach dem Essen trinken
  • Gewicht halten: Mit dem Essen trinken
  • Gewichtsabnahme: Vor dem Essen trinken

Mit diesen generellen Richtlinien und der richtigen Dosha-bezogenen Nahrungsmitteltabelle kann sich schon nach kurzer Zeit mehr Energie und Wohlbefinden einstellen. Ernährung und Verhalten sollten allerdings immer auf die momentan vorherrschenden Erkrankungen, Symptome und Medikation angepasst werden, basierend auf ärztlicher Beratung.

Zum Autor:
Dr. Daniel Scheidbach (MSc in Ayurvedic Medicine) leitet seit 8 Jahren eine integrative Ayurveda-Praxis bei Graz, in der neben Öl-Anwendungen oder Massagen auch die Beratung hinsichtlich des typgerechten Verhaltens und der Ernährung nach Ayurveda sowie Kochkurse angeboten werden. Zusätzlich betreibt er den Ayurveda-Blog auf vedizin.at, wo er neben seiner Tätigkeit als Vortragender in seiner Praxis, auf Kongressen, für die medizinische Universität Graz oder in Gemeinden und Betrieben dafür kämpft, dass Ayurveda als medizinisch wirksame Lehre des Lebens zusätzlich zum bekannteren Wellness-Charakter
wahrgenommen wird.

Hinweis: Der Inhalt des Beitrags gibt ausschließlich die Meinung des Autors in seiner Rolle als Ayurveda Arzt und Arzt für Allgemeinmedizin wieder und entspricht nicht zwingend den Ansichten von Ayurveda101. Der Beitrag dient nicht der Werbung, sondern ausschließlich der Information und soll nicht die Sicherheit und Eignung anderer Lebensmittel in Zweifel ziehen, zum übermäßigen Verzehr bestimmter Lebensmittel anregen oder den Eindruck erwecken, dass damit eine ausreichende, ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ersetzt werden könnte.